Was in den Zusammenfassungen wissenschaftlicher Arbeiten steht, ist nicht immer nur die kondensierte Form der Gesamtfassung. Zum Teil liegt der Verdacht nahe, ihr Inhalt sei eher politisch denn wissenschaftlich motiviert.
Jährlich wird eine Vielzahl von wissenschaftlichen Artikeln und Berichten publiziert - viel mehr als die meisten in ihrer tagtäglichen Arbeit lesen können. Dies ist einer der Gründe, warum jeder wissenschaftliche Artkel oder Bericht in der Regel eine kurze Zusammenfassung hat. Während der ausführliche Text alle Details enthalten sollte, zum Beispiel auch Hinweise auf offene Fragen oder Schlussfolgerungen, so muss die Zusammenfassung innerhalb weniger Sätze oder Seiten die wichtigsten Ergebnisse kurz und genau wiedergeben. Wer selber schon einmal solche Berichte oder Artikel geschrieben hat, kennt das Problem: Da arbeitet man Wochen, Monate oder Jahre an einer Studie, hat endliche alle Details, Ergebnisse und Schlussfolgerungen ordentlich ausgeführt, und dann muss man das Ganze noch einmal auf eine vorgegebene Anzahl von Zeichen runterbrechen.
Mittel zur subtilen Manipulation
Doch diese Zusammenfassungen sind nicht nur harte Arbeit, sie können auch ein Mittel von subtiler (oder weniger subtiler) Manipulation sein. Denn: Oft werden nur die Zusammenfassungen gelesen - sei es aus Zeitgründen oder weil zum Beispiel die Zusammenfassung (Abstract) frei im Internet verfügbar ist, ein einzelner wissenschaftlicher Artikel allerdings ohne weiteres 25 Euro kosten kann.
Hier zwei Beispiele aus der aktuelen Gentechnik-Diskussion, bei denen man sich nicht des Eindrucks erwehren kann, dass diese Zusammenfassungen mehr politisch als wissenschaftlich motiviert sind.
Für die Studie "Monitoring der Umweltwirkungen des Bt-Gens" liegen zwei Zusammenfassungen vor, beide gut eine DIN-A4-Seite lang. Die eine ist die des gedruckten Endberichts,
Nach einigen einleitenden Absätzen werden die Ergebnisse der Studie zu vier Punkten zusammengefasst. Die ersten beiden dieser Punkte sind in beiden Fassungen identisch, aber bei den anderen beiden muss man sich fragen, ob es sich eigentlich um die selbe Studie handelt.
Während die Zusammenfassung auf den ersten Seiten des gedruckten Berichts den Eindruck hervorruft, dass es keine oder nur geringe Effekte von Bt-Mais auf Spinnen, räuberische Wanzen und Florfliegen gab, erweitert Andreas Lang, einer der Autoren, dies auf einer Konferenz um zwei wichtige Angaben. Zum einen werden die Rollen dieser Tiere als "die wichtigsten Nützlinge" hervorgehoben, zum anderen wird aber vor allem dargestellt, dass es zum Teil auch siginifikante Abnahmen der Bestände gab. Und während die Zusammenfassung betont, dass im Freiland die negativen Effekte der Laborversuche nicht bestättigt werden konnten und dieses Ergebnis durch die Angabe möglicher Risikomanagementmaßnahmen noch weiter abschwächt, betont Lang in seiner Präsentation die deutlich negativen Effekte auf die Raupen einer bestimmten Schmetterlingsart (siehe Tabelle).
Bei der Lektüre des Gesamtberichts wird zudem deutlich, dass die Laborversuche mit Raupen durchgeführt wurden, was aber - aus Kostengründen - im Freiland nicht wiederholt wurde. Stattdessen zählten die Wissenschaftler adulte Schmetterlinge. Es handelt sich also im Labor und im Freiland um zwei unterschiedliche Versuche - was im Übrigen in beiden Darstellungen nicht deutlich gemacht wurde.Insgesamt zeichnet also die Zusammenfassung im Gesamtbericht ein deutlich positiveres Bild der möglichen Effekte von Bt-Mais auf Nicht-Zielorganismen als die Präsentation eines der Autoren. Einem früheren Presseartikel über die hier beschriebene bemerkenswerte wissenschaftliche Praxis zufolge, ist die Zusammenfassung des Gesamtberichts durch die Institutsleitung worden.
Mein zweites Beispiel zeigt, wie ein interessantes Ergebnis in den Zusammenfassungen schrittweise immer unsichtbarer wird und am Schluss ein deutlich anderes Bild geliefert wird, als die Originaldaten vermuten ließen.
"Es gibt keinen Effekt auf Bienen"
Im Rahmen des BMBF-Projekts "Sicherheitsforschung und Monitoring zum Anbau von Bt-Mais 2001-2004" fand ein Teilprojekt "Auswirkungen von Bt-Maispollen auf die Honigbiene" statt.
Hans-Heinrich Kaatz von der Universität Jena (heute Martin-Luther-Universität in Halle/Saale) und seine Kollegen führten die Studie durch und werten ihre Ergebnisse aus. Eine Zusammenfassung der Studie und ihrer Ergebnisse wird auf www.biosicherheit.de - als Abschlussbericht des Projekts - publiziert.
Zusammenfassungen als politisches Instrument
Kaatz und Kollegen stellen also die negativen Effekte deutlich heraus, und erklären die methodologischen Probleme, die sie daran gehindert haben, diesen Befall zu wiederholen. Sie beschreiben auch die Antibiotikagabe, auch wenn sie dann selber eine erste Verkürzung vornehmen indem sie aus "mit Antibiotika behandelten Bienen" "gesunde Bienen" machen. Es liegen in dieser Veröffentlichung keine Originaldaten vor, auf denen die Aussagen "negativer Effekt" und "kein Effekt" basieren.
Schuphan stellt die Ergebnisse des gesamten Projekts kurz da (6) und berücksichtigt dabei nur die "gesunden Bienen". Er gibt auch nicht an, dass diese gesunden Bienen nur in einem Jahr des dreijährigen Projektes untersucht wurden.
In der Zusammenfassung dieser Kurzdarstellung streicht er dann auch noch das Wort "gesund". Es heißt jetzt "Es gibt keinen Effekt auf Bienen“. Diese Zusammenfassung ist zum Beispiel auf der Webseite www.biosicherheit.de veröffentlich, von wo sie auf den Abschlussbericht auf derselben Webseite verweist.
Der Eindruck bei Schuphan ist, dass eine dreijährige Freilandstudie keine negativen Effekte auf Bienen feststellen konnte. Tatsächlich zeigen die Daten jedoch eine einjährige Studie mit Antibiotika behandelten Bienen, in denen keine negativen Effekte festgestellt werden konnten, sowie eine zweite einjährige Studie in denen bei Bienen mit Parasitenbefall negative Effekte belegt wurden und bei dem die Wissenschaftler angeben, dass sie unter kontrollierten Bedingungen wiederholt werden sollte.
Selten sind Zusammenfassungen so eklatant verschieden von dem, was die AutorInnen einer Studie selber sagen, und selten ist dies so offensichtlich. Die - zusammenfassende - Schlussfolgerung kann nur sein, dass das Schreiben einer Zusammenfassung nicht nur ein wissenschaftlicher Arbeitsschritt ist, sondern auch ein politsches Instrument sein kann, vor allem dann wenn es im Rahmen eines größeren Projekts stattfindet, in dem ProjektleiterInnen typischerweise die Interpretationshoheit über das Gesamtprojekt haben, auch wenn einzelen ProjektteilnehmerInnen zu anderen Schlussfolgerungen kommen.