[img_assist|nid=216|title=|desc=|link=none|align=right|width=100|height=43]Am 27. Februar endete das erste Treffen der Parteien des Cartagena-Protokolls zur biologischen Sicherheit. Dieses hatte in Kuala Lumpur (Malaysia) stattgefunden. Es konnten zehn wegweisende Entschlüsse zu Themen wie Informationsaustausch, Finanzierungen und vor allem zum Umgang mit lebenden gentechnisch veränderten Organismen gefasst werden. Ein Update.
Nach Jahren harten politischen Ringens trat das Biosafety-Protokoll am 11. September 2003, symbolischerweise mitten während der geplatzten WTO-Verhandlungen in Cancun, in Kraft. Somit war das Treffen in Kuala Lumpur das erste der derzeit 87 Vertragsstaaten. Bei vielen TeilnehmerInnen dieses Treffens, das auch MOP 1 des Cartagena-Protokolls genannt wird (siehe Kasten), herrschte wegen der gefassten Beschlüsse Genugtuung vor, da - wenn auch in kleinen Schritten - Fortschritte bei der Implementierung des Biosafety-Protokolls gemacht werden konnten. Das Voranschreiten der Verhandlungen lag nicht zuletzt daran, dass keines der Länder der so genannten Miami-Gruppe zur Zeit Vertragsstaat des Biosafety-Protokolls ist. Die Miami-Gruppe ist ein informeller Zusammenschluss vor allem der Hauptanbau- und -exportländer von gentechnisch veränderten Organismen (GVOs), dazu gehören unter anderem die USA, Kanada, Australien und Argentinien. Auch wenn den Vorstellungen dieser Nicht-Vertragsstaaten Gehör gegeben wurde, so lieferten am Ende doch die Entwürfe der Vertragsstaaten die Basis für die Entscheidungen. Nichtsdestotrotz waren auch diesmal Versuche von indirekter Einflussnahme, zum Beispiel über Vertragsstaaten wie Mexiko, unübersehbar. Die drei wichtigsten Entscheidungen des MOP1 waren:
- Festlegung von Maßnahmen zum Umgang mit LMOs (living modified organisms - siehe Kasten) sowie Transport, Verpackung und Kennzeichung derselben in Zusammenhang mit Artikel 18 des Cartagena-Protokolls (siehe Kasten);
- Etablierung eines Beschwerdeverfahrens gegenüber Ländern, die sich nicht entsprechend den Bestimmungen des Protokolls verhalten; und
- Etablierung einer Expertengruppe zu Haftung und Wiedergutmachung im Rahmen des Protokolls.
Im Artikel 18 des Cartagena-Protokolls war festgelegt worden, dass die Vertragsstaaten innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten des Protokolls verbindliche Regelungen zum Umgang mit und zur Kennzeichnung von LMOs im internationalen Handel finden müssen. Mit dem jetzigen Beschluss werden Vertragsstaaten aufgefordert, Transporte, in denen gentechnisch veränderte Organismen enthalten sind, sowohl mit dem allgemeinen und dem wissenschaftlichen, als auch mit dem kommerziellen Namen zu kennzeichnen. Auch muss die gentechnische Veränderung eindeutig durch den Transformation Event Code oder den Unique Identifier (siehe Kasten) gekennzeichnet werden. Dies wird als ein wichtiger Schritt hin zu möglichen ausführlicheren Begleitpapieren in 2005 gewertet.
Bremsversuche durch Nicht-Vertragsstaaten
Die Verhandlungen diesen Punkt betreffend wurden immer wieder durch Mitglieder der Miami-Gruppe aufgehalten. Diese waren der Ansicht, das Protokoll sei doch nun schon sechs Monate in Kraft und sie würden doch schon alles tun, um das Protokoll umzusetzen. Wie die Umsetzung im Sinne der Miami-Gruppe aussehen kann, zeigt beispielhaft das Abkommen, das die USA und Kanada mit - dem Cartagena-Vertragsstaat - Mexiko geschlossen haben: Im internationalen Handel mit LMOs sollen Transportladungen mit dem Satz gekennzeichnet werden: "This may contain LMOs and is not intended for deliberate release" (Dies könnte LMOs enthalten und ist nicht für die Freisetzung vorgesehen) - eine Kennzeichnung, die selbst darauf verzichtet, den Namen des gentechnisch veränderten Organismus zu nennen. Kennzeichnung ist nach Vorstellung dieser drei Länder nicht nötig, wenn der Anteil der GVO unter fünf Prozent liegt, oder wenn es sich um eine unbeabsichtigte Verunreinigung handelt.
Die in Kuala Lumpur gefassten Beschlüsse zu Artikel 18 gehen in dieser Sache in eine deutlich andere Richtung. Verstärkt wird diese dadurch, dass jedes Land ausdrücklich das Recht hat, durch nationale Gesetzgebung Begleitpapiere für den Transport von LMOs zu verlangen.
Strafen oder helfen?
Ein anderes Thema, über das eine Woche lang gerungen wurde, war, wie mit Vertragsstaaten umgegangen werden soll, die gegen das Protokoll verstoßen. Letztendlich wurde ein so genanntes Compliance-Committee mit fünfzehn Mitgliedern eingerichtet. Diese Mitglieder sollen die mit dem Komitee verbundenen Aufgaben in persönlicher Kompetenz und nicht als Regierungsvertreter wahrnehmen. Beschwerden können durch betroffene Länder vorgebracht werden, oder auch durch solche, bei denen nur der Verdacht besteht, dass sie betroffen sind, nicht jedoch - zum Beispiel - durch Nichtregierungsorganisationen. Die Maßnahmen, die das Komitee verhängen kann, sind weniger als Strafe gedacht, als vielmehr darauf ausgerichtet, es Ländern zu ermöglichen, dem Protokoll zu entsprechen (zum Beispiel durch Ausbildung von MitarbeiterInnen des betroffenen Landes). Weitere Maßnahmen werden beim dritten Treffen der Vertragsstaaten verhandelt, das 2006 stattfinden wird.
Haftung und Wiedergutmachung
Die Frage von Haftung und Wiedergutmachung (liability and redress) war der entscheidendste Punkt dieser Verhandlungen für die Länder des Globalen Südens. Diese waren von Beginn an die vehementesten Verfechter eines starken Protokolls und sind es immer noch. Vor allem die Afrika-Gruppe argumentiert, dass es im Fall von Unfällen oder anderen Ereignissen, bei denen LMOs Farmer und Landwirtschaft, die Umwelt und/ oder die menschliche Gesundheit schädigen, juristisch bindende Vereinbarungen geben muss. Diese Vereinbahrungen müssten regeln, wer verantwortlich ist für einen solchen Unfall, und wie Wiedergutmachung oder Schadensersatz für die Opfer und den entstandenen Schaden aussehen kann. Die Meinungen darüber liefen so weit auseinander, dass eine Expertengruppe eingesetzt wurde, die die internationalen Regelungen zu evaluieren, denkbare zukünftige und bereits geschehene Szenarien durchzuspielen und mögliche Regelungen und Prozeduren zu entwickeln hat. Auf dieser Basis soll 2007 eine endgültige Entscheidung getroffen werden können. Auch wenn dieser Zeitpunkt noch einige Jahre entfernt ist, bedeutet dieses Verfahren, dass allen Beteiligten die Möglichkeit gegeben ist, strenge und umfassende Regeln zu entwickeln.
Dr. Tewolde Eziaghber, Vertreter Äthiopiens und einer der Sprecher der Afrika-Gruppe zufolge ist es in der Haftungsfrage von besonderer Bedeutung, dass Entwicklungsländer Entschädigungen erhalten, wenn ihre Farmen, die Umwelt und die Gesundheit durch importierte LMOs beeinträchtigt werden: "Biosafety ist wichtig für Afrika und andere Entwicklungsländer, um die biologische Vielfalt von Nutzpflanzen und Tieren zu erhalten." Und: "Ich bin froh, dass sich das Biosafety Protokoll weg von Regeln und hin zu Maßnahmen und Aktionen bewegt, aber auch wenn wir in Kuala Lumpur gute Fortschritte gemacht haben, sind die Herausforderungen sehr groß und es muss noch viel getan werden."