[img_assist|nid=108|title=|desc=|link=none|align=right|width=100|height=43]Bei der EU liegt ein Zulassungsantrag von BASF für den Anbau einer gentechnisch veränderten Kartoffel vor, über den die EU-UmweltministerInnen am 20. Februar entscheiden sollen. Die BASF scheint zuversichtlich, hat sie doch bereits Mitte Januar über 150 Hektar für den Anbau in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern angemeldet. Und dennoch regt sich kein Sturm der Entrüstung, geht kaum jemand auf die Barrikaden. Fünf gute Gründe, sich dennoch gegen die Zulassung der BASF-Gentech-Kartoffeln zu engagieren.
Seit 1998, nach der Zulassung der gv-Mais-Events Bt176 und MON810, gab es in der EU ein De-facto-Moratorium gegen neue Gentech-Pflanzen. Stückweise ist das Moratorium seitdem durch die Zulassung von neuen gentechnisch veränderten Produkten als Futter- und Nahrungsmittel gefallen. Aber seit dem Ende des Moratoriums gab es keine weitere Genehmigung für den kommerziellen Anbau eines gentechnisch veränderten Organismus (GVO). Und, was noch schwerer wiegt: Seitdem haben sich europaweit mehr als 170 gentechnikfreie Regionen etabliert, darunter ganze Länder wie Italien und Polen. Auf EU-Ebene konnten Österreich, Ungarn und Griechenland ihren GVO-Bann mit der Unterstützung anderer Mitgliedsländer aufrecht erhalten.
Erste Anbau-Zulassung eines GVO seit 1998?
Jetzt aber läuft zum ersten Mal seit zehn Jahren die EUMaschinerie warm, um eine Gentech-Pflanze zum Anbau zuzulassen. Die EFSA, die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit, hat den Antrag positiv beschieden. Nach einer Abstimmung des zuständigen Fachausschusses im Dezember 2006 ist der nächster Schritt ist nun (voraussichtlich) am 26. Februar 2007 eine Abstimmung der EU-LandwirtschaftsministerInnen. Falls sich hier ebenfalls keine qualifizierte Mehrheit für oder gegen den Antrag findet, kann die EU-Kommission frei entscheiden. Bislang wurde von der Kommission jede Zulassung durchgewunken.
Der Anbau für die Gentech-Kartoffel (Handelsname "Amflora") ist vor allem für Deutschland und Tschechien geplant, aber dennoch regt sich wenig Widerstand. Wiegen sich VerbraucherInnen in Sicherheit, weil diese Kartoffel in erster Linie für die Stärkeindustrie und nicht für den Verzehr vorgesehen ist? Vermeiden Umweltorganisationen das Thema, da die Kritik an der Produktion landwirtschaftlicher Industrieprodukte eine Gratwanderung zwischen positiven und negativen Aspekten ist, die der Öffentlichkeit zu schwierig zu vermitteln wäre?
Mit der Zulassung der gv-Kartoffel wäre für die Gentechnik-BefürworterInnen eine entscheidende politische und psychologische Hürde genommen. Und dieser Kartoffel sollen dann mit Sicherheit viele weitere GVO folgen. International würden BefürworterInnen von GVO sich sicherlich nicht scheuen, eine deutsche Zustimmung für eine deutsche gv-Kartoffel als besonderes Gütesiegel zu nutzen. Im Gegensatz zu den USA hat Deutschland in vielen Bereichen hohe Sicherheitsansprüche und BASF erscheint vertrauenswürdiger als Monsanto.
Auch Industrie-GVO verursachen Probleme
Viele der Argumente der letzen Jahre beziehen sich auf den Unwillen der VerbraucherInnen; sie wollen keine Gentech-Produkte kaufen. Dies ist entscheidend für die Tatsache, dass Produkte aus gentechnisch veränderten Pflanzen praktisch überhaupt nicht in den europäischen Supermärkten zu finden sind. Unkalkulierbare Risiken der Schadenshaftung bei Kontamination führen dazu, dass sich viele Bäuerinnen und Bauern lieber nicht auf das Experiment des Anbaus einlassen.
Der Anbau einer gentechnisch veränderten Kartoffel als industrieller Rohstoff - angeblich ohne Koexistenzprobleme - schwächt diese beiden Argumente. Aber das macht die gv-Kartoffel noch lange nicht harmlos. Es wäre naiv anzunehmen, dass die gv-Kartoffel nicht auch irgendwann in der Nahrung landet. Die Erfahrungen mit StarLink-Mais in den USA im Jahr 2000 und LL6101-Reis in 2006
deutlich gezeigt, dass eine Trennung konventioneller und gentechnisch veränderter Waren auch über Distanzen von mehreren tausend Kilometern nicht möglich ist.
Zusammen mit dem Anbau-Antrag wurde auch eine Zulassung als Nahrungs- und Futtermittel beantragt. Dies ist ein Eingeständnis, dass eine vollständige Trennung der landwirtschaftlichen Produktion mit und ohne Gentechnik nicht machbar ist. Für die BASF ist die Zulassung als Lebensmittel entscheidend um Folgekosten für Anwälte und mögliche Entschädigungen für die Lebensmittelbranche zu verringern. Nach einer Zulassung als Nahrungsmittel bedeutete eine Verunreinigung "lediglich", dass die Produkte gegebenenfalls gekennzeichnet werden müssen. Eine Verunreinigung mit einem nicht-zugelassenen GVO dagegen hieße, dass die Produkte überhaupt nicht vermarktet werden dürften.
Auch im Anbau ist mit Kontamination zu rechnen. Die Erfahrungen der letzten 15 Jahre zeigen immer wieder, dass gerade auch in der Saatgutherstellung Kontaminationen stattfinden. Nichts spricht dafür, dass die Saatgutbetriebe dieses Problem plötzlich bei der Produktion von Pflanzkartoffeln im Griff haben werden. Ebenfalls bestehen bleiben die Kontaminationswege bei Lagerung, Erntemaschinen, Transportverluste und durch Durchwuchs von Kartoffeln, die nach der Ernte auf dem Feld zurückbleiben. Selbst wenn nur ein Prozent der Ernte auf dem Feld zurückbleibt, sind das bei Kartoffeln noch 300 bis 400 Kilogramm je Hektar.
Kartoffeln können - im Gegensatz zu Getreide - nicht nur aus einem Samenkorn keimen, sondern aus jedem so genannten Auge in der Kartoffelschale. Bei einer Fahrt durch die spezialisierten Anbauregionen für Stärkekartoffeln in Deutschland sind Kartoffelpflanzen regelmäßig auch in den Roggenfeldern zu entdecken.
Der Antrag ist zu lückenhaft...
Viele EU-Zulassungsanträge der letzten Jahre weisen Lücken auf: Zum Beispiel wurde Hinweisen auf negative Effekte nicht nachgegangen oder es wurden bestimmte Fragen erst gar nicht gestellt. Doch selbst im Vergleich mit diesem oft kritisierten Standard ist der Zulassungsantrag der BASF von ausgesprochen schlechter Qualität. Die EFSA listet in ihrer Stellungnahme 22 Seiten mit Bedenken der Mitgliedsstaaten auf, gibt aber dennoch grünes Licht. Hier nur einige Highlights:
Die Sicherheit als Futtermittel soll mit zwei Studien belegt werden. In der ersten enthielt die Nahrung von Ratten 90 Tage lang 5 Prozent gefriergetrocknete Kartoffeln. In anderen Fütterungsversuchen beträgt der GVO-Anteil bis zu 30 Prozent. Doch selbst mit diesem geringen Anteil und in dem kurzen Zeitraum, ließen sich negative gesundheitliche Effekte feststellen. Rattenweibchen zeigten signifikant veränderte Werte in Bezug auf ihre weißen Blutkörperchen und ein verändertes Gewicht der Milz. Diese Unterschiede wurden jedoch nicht weiter untersucht.
In einer zweiten Studie wurden in zwei Versuchsreihen jeweils sechzehn Kühe für acht Wochen mit gentechnisch veränderter Kartoffelpulpe gefüttert. Kartoffelpulpe ist das Abfallprodukt der industriellen Stärkegewinnung. Bei dem Versuch wurden keine Gesundheitsparameter wie zum Beispiel Blut oder Urin untersucht sondern lediglich das Gewicht der Tiere gemessen. Außerdem handelte es sich um eine Kuhrasse, die auf reine Milchleistung gezüchtet und für die Mast ungeeignet ist. Die Aussagekraft dieser Studie ist in etwa so groß, als würde man die Sicherheit eines Oldtimers dadurch bestimmen, wie schnell er von 0 auf 100 beschleunigt, ohne die Bremsen und Abgasemissionen zu messen.
In dem gesamten Zulassungsverfahren wurde kein Versuch mit frischen Kartoffeln unternommen, weder roh so, wie sie an Kühe verfüttert werden oder wie sie Wildtiere auf dem Acker fressen könnten, noch gekocht, so wie sie in der menschlichen Nahrung vorliegen könnten.
.. um Aussagen über die Umweltverträglichkeit zu treffen
Um die Umweltstudien ist es noch schlechter gestellt. Auch hier wurden zwei Versuche vorgelegt. In dem einen wurde die Anzahl der Athropoden (Insekten und andere Gliedertiere) auf Versuchsflächen gezählt. In dem Versuch wurden keine Unterschiede festgestellt - allerdings wurden die Flächen während des Versuchs wiederholt mit Insektiziden behandelt. So lassen sich kaum aussagekräftige Werte feststellen.
Bei dem zweiten Versuch handelt es sich um Daten aus einem klassischen Sortenversuch ohne Umweltparameter. Die Daten zeigen, dass es "keine erhöhte Anfälligkeit oder Resistenz für Schädlinge und Krankheiten gibt, und auch keine Veränderung in der Empfindlichkeit gegenüber einer Anzahl von Kartoffelviren". Bei dieser Studie handelt es sich also eindeutig nicht um eine Umweltverträglichkeitsstudie. Was sagt uns der Versuch über andere Insekten, Bodenorganismen und Wildtiere, die während des Anbaus und nach der Ernte mit den Kartoffeln in Kontakt kommen? Was sagt er uns darüber, ob die veränderte Zusammensetzung und zum Beispiel der höhere Zuckergehalt die Kartoffel für Wildtiere attraktiver macht?
Eine veränderte Stärkezusammensetzung könnte auch zu einem veränderten Abbau im Boden führen. Selbst die EFSA gibt in ihrer Stellungnahme an, dass "gv-Kartoffelknollen eine veränderte Stärkezusammensetzung haben, und dadurch anders zusammengesetzte Mikrobengemeinschaften abgebaut werden könnten". Doch auch der Abbau der gv-Kartoffeln im Boden bleibt un-untersucht.
Der Mangel an Umwelt- und Fütterungsstudien wird durch die Tatsache verschärft, dass es weder Erfahrungen mit dem Anbau von Gentech-Pflanzen mit veränderten Inhaltstoffen gibt, noch mit dem Anbau von Gentech-Kartoffeln. Im Gegensatz zu den ansonsten vor allem angebauten herbizidtoleranten oder Bt-Pflanzen bildet die Gentech-Kartoffel nicht "einfach" ein zusätzlichen Protein. Bei dieser Kartoffel wird ein essentieller Teil des Stoffwechsels der Pflanze blockiert, so dass eine der üblicherweise zwei Kartoffelstärken - und zwar die Amylose - nicht gebildet wird.
Die Frage ist, was die Pflanze stattdessen mit den Stoffen macht, die eigentlich in Amylose umgewandelt würden, und ob die Blockade auch andere Stoffwechselwege blockiert, die zum Beispiel unter Stressbedingungen aktiviert werden. Der Stoffwechsel der gv-Kartoffel ist verändert und deshalb sollte dies umso genauer untersucht werden. Auch mit dem Anbau von gv-Kartoffeln gibt es kaum Erfahrung.
Selbst in den USA verschwanden gentechnisch veränderte Bt-Kartoffeln schon vor sieben Jahren wieder von den Äckern, nachdem die Fastfood-Kette "McDonald’s" und der Chips-Hersteller "Procter & Gamble" aus Sorge vor Verbraucherablehnung von den US-Farmern ausschließlich konventionelle Kartoffeln verlangten. Sollte die Kartoffel eine Anbauzulassung bekommen, wären Deutschland und die anderen Mitgliedstaaten der EU dafür verantwortlich, den Einstieg für den großflächigen Anbau der Gentech-Kartoffeln den Weg zu bahnen.
Antibiotikaresistenz durch die Hintertür?
Die BASF-Kartoffel enthält das Antibiotikaresistenzgen "nptII" als Markergen. Markergene dienen im Labor dazu, frühzeitig die gentechnisch veränderten Zellen zu identifizieren. Als Technik ist das Nutzen von Antibiotikaresistenzen hierfür inzwischen veraltet und - wichtiger noch - in der EU ausdrücklich verboten. Laut der EU-Freisetzungsrichtlinie 2001/18 dürfen seit 2005 praktisch keine GVO mit Antibiotika-Resistenz mehr angebaut werden. BASF und die EFSA scheint das wenig zu kümmern. Die EFSA bescheinigt dieser Antibiotikaresistenz einfach Unbedenklichkeit, da die betroffenen Antibiotika nur in geringem Umfang in der Human- und Tiermedizin eingesetzt würden.
NptII bewirkt eine Resistenz gegen die Antibiotika Kanamycin, Neomycin, Gentamycin, Genetycin, Paramomycin und Framycetin. Neomcyin wird in einigen EU-Ländern sehr wohl noch in der Human- und/oder Veterinärmedizin eingesetzt. Bedenklich ist aber vor allem die Resistenz gegen Kanamycin. Kanamycin wird in der WHO-Liste der wichtigsten Medikamente als Reserveantibiotikum gegen mehrfachresistente Tuberkulose aufgeführt.
Wer bestimmt, welche Landwirtschaft wir haben?
Bereits in 2006 war ein Trend beim Anbau des Gentech-Mais MON810 in Deutschland zu sehen: weg von Nahrungs- und Futtermitteln, hin zu industriellen Rohstoffen. Verbraucher lehnen Gentechnik in Nahrungs- und Futtermitteln deutlich ab, und so versuchten einige MON810-Landwirte der Kritik zu entgehen, indem sie angaben, dass dieser Mais nur für die Herstellung von Biogas genutzt werden sollte, und nicht als Futtermittel.
Die BASF-Kartoffel folgt diesem Trend. Sie ist gentechnisch so verändert, dass sie nur eine statt zwei verschiedener Stärken produziert, wodurch sie besser als industrieller Rohstoff genutzt werden können soll. Sie folgt aber auch einem Trend zunehmend landwirtschaftliche Flächen nicht zur Produktion von Nahrungs- und Futtermitteln zu nutzen, sondern für industrielle Rohstoffe. Einerseits wird ein Horrorszenario gezeichnet, in dem die Weltbevölkerung explodiert und die landwirtschaftlichen Nutzflächen aus verschiedenen Gründen immer weniger werden, andererseits werden hier Flächen aus der Nahrungsmittelproduktion herausgenommen. Langfristig bedeutet dieser Trend, dass vor allem die Nahrungsmittelproduktion der Armen dieser Welt nicht mehr nur mit Cash Crops konkurriert, sondern zunehmend auch mit dem großflächigen Anbau für Biogas, Stärke und anderen Rohstoffen. Die aktuelle Verdoppelung des Tortillapreises in Mexiko ist Folge der Nutzung von Mais als Bioethanol statt als Nahrungs- und Futtermittel.
Bei den Verträgen mit den Anbietern für GVO-Mais-Saatgut unterzeichnen die LandwirtInnen weiter reichende Verpflichtungen, als bisher üblich: Ohne Zustimmung der Betroffenen geben die GVO einsetzenden Landwirte die Adressen ihrer NachbarInnen an die Saatgutkonzerne weiter. Bei der BASF-Kartoffel rutschen sie noch tiefer in die Abhängigkeit von der Industrie. Schon heute ist die Produktion von Stärkekartoffeln stark reguliert und Bauern brauchen Lieferrechte für die Stärkefabriken. Die BASF plant nun den Spielraum für die Bauern elegant noch weiter zu beschneiden.
Sie liefert patentiertes Saatgut und macht Vorgaben für alle möglichen Details des Anbaus. Am Ende der Produktionskette sitzt sie als Großabnehmer der Stärke für ihre breite Produktpalette wieder am langen Hebel und kann Druck auf ihre Lieferanten aus der Stärkeindustrie ausüben. Bauern sind dann nur noch Heimarbeiter und Scheinselbständige, die das Risiko tragen aber kaum eigenständige Beschlüsse über ihre Anbaumethoden treffen können. Sie verlieren über den Patentschutz jegliche Möglichkeit Kartoffeln aufzubewahren und im Folgejahr erneut auszupflanzen.
Traditionell tauschen Landwirte untereinander ihre Flächen, da Kartoffeln nur alle drei oder vier Jahre auf dem gleichen Acker angebaut werden können. Gerade in Mecklenburg-Vorpommern mit einem der höchsten Anteile an Pachtland in Deutschland entstehen so neue Konflikte: Was bisher als Nachbarschaftshilfe unbürokratisch geregelt wurde, ist im Fall der Gentechnikkartoffel ausgeschlossen.
Der Mangel an Umweltstudien für eine Pflanze, die in Deutschland angebaut werden soll - und deren Durchwuchsproblematik bekannt ist -, der Mangel an Futter- und Nahrungsmittelsicherheit, der lückenhafte Zulassungsantrag und die schamlose Zustimmung der EFSA - dies alles sind mehr als gute Gründe, den Anbau dieser gv-Kartoffel abzulehnen. Und die Tatsache, dass es sich bei Amflora um eine Industriekartoffel handelt, verlangt nicht weniger politische Öffentlichkeit. Es stellt sich genau an dieser Stelle die Frage, was für eine Landwirtschaft wir wollen, und wer dies bestimmen soll.
Sehr interessant in diesem Zusammenhang die Aussage von Richard Lenk Geschäftsführer der Südstärke in der Süddeutschen Zeitung: "Für uns kommt eine Verarbeitung von Amflora zurzeit nicht in Frage”. Und weiter: "Wenn bekannt würde, dass wir in unserem Betrieb gentechnisch veränderte Kartoffeln verarbeiten, bekämen wir ein Imageproblem". Wirtschaftlich lohne sich Amflora nicht. Durch die gentechnische Veränderung wird zwar ein Schritt in der Verarbeitung gespart. "Dafür sind die Kartoffeln teurer und nicht so ertragreich wie herkömmliche Sorten".
Originally published in GID 180, p. 23-27 (2007)