Transgener Treibstoff

[img_assist|nid=111|title=|desc=|link=none|align=right|width=100|height=43]Die Klimadebatte beherrscht die Medienwelt. Weg vom Öl ist die Devise. Neben dem Wiedererstarken der nuklearen Idee findet sich vor allem die Formel zur verstärkten Nutzung nachwachsender Rohstoffe und dabei insbesondere zur Nutzung von Kraftstoffen auf Pflanzenbasis in den hoch gehandelten Vorschlagslisten. Da dürfen gentechnisch veränderte Pflanzen als Heilsbringer natürlich nicht fehlen.

Transgener Treibstoff

Seitdem sich die Einsicht verbreitet hat, dass die Ölvorkommen nicht endlos sind, macht sich Hektik breit, um andere Energiequellen zu erschließen. Vor allem die Diskussion um so genannte „biofuels“ oder „agrofuels“ wird seit einigen Monaten tatkräftig vorangetrieben. Die Idee ist, pflanzliche Rohstoffe in verschiedenen Formen in Treibstoffe zu verwandeln; nicht nur durch den Gebrauch von Ölen, sondern auch durch die Verwandlung zum Beispiel in Ethanol. Die häufig verwendete Vorsilbe ist in diesem Fall als „bio“ im Gegensatz zu fossilen Brennstoffen, aber nicht als „bio“ im Sinne von ökologisch oder nachhaltig zu verstehen. „Agro-Treibstoff“ im Sinne eines landwirtschaftlichen Produkts beschreibt die Sachlage weniger irreführend.
Doch der Name ist wahrlich nicht das einzige Problem. Ölpreise steigen und in vielen Industrieländern ist schon heute abzusehen, dass die Verteuerung oder gar der Verlust von Rohöl als Grundstoff in vielen Bereichen zu massiven Problemen führen wird. Außerdem dringt zunehmend ins Bewusstsein, welchen Anteil die Verbrennung fossiler Brennstoffe zu den Problemen des Klimawandels beiträgt. Also soll vorgesorgt werden und so hat zum Beispiel die EU beschlossen, dass bis 2010 zehn Prozent der Kraftstoffe für Fahrzeuge aus Agro-Brennstoffen bestehen sollen. Aus landwirtschaftlichen Produkten also, die irgendwo angebaut werden müssen, vorzugsweise - aus europäischer Sicht - in anderen Teilen der Welt. In denen werden schon jetzt landwirtschaftliche Produkte als Futtermittel, Cash crops und Rohstoffe für die Lebensmittelproduktion produziert. Gefragt wurden die potentiellen Produzentenländer nicht. Gleichzeitig versuchen einige EU-Länder (Niederlande, Großbritannien, Deutschland) Kriterien dafür zu entwickeln, unter welchen Bedingungen der Anbau in diesen Ländern stattfinden sollte. Soziale Kriterien, wie sie zum Beispiel die niederländische Cramer-Kommission angedacht hatte, sind inzwischen wieder gestrichen worden.

„Zahlungskräftige Schweine“

Das vermutlich größte Problem in diesem Zusammenhang macht sich bereits heute bemerkbar. Abnehmer von Rohstoffen zur Ethanolproduktion sind bereit, zum Beispiel für Mais deutlich mehr zu bezahlen als die Abnehmer der Lebensmittelindustrie. Als in den USA Farmer die Gelegenheit bekamen, ihren Mais teuer an die Hersteller von Ethanol zu verkaufen, stiegen in Mexiko die Tortillapreise. Das lag nicht zuletzt auch an ökonomischen Zusammenhängen, die durch die Bildung der US-mexikanischen Freihandelszone entstanden waren. Inzwischen beklagt selbst der CocaCola-Konzern in den USA, dass die Preise für Zuckersirup aus Mais entscheidend gestiegen sind.
Bereits jetzt müssen Millionen Menschen weltweit mit „zahlungskräftigen Schweinen und Rindern“ in den Industrienationen um ihre tägliche Nahrung konkurrieren. In Zukunft werden auch die noch zahlungskräftigeren AutofahrerInnen und Industrien im Kampf um landwirtschaftliche Nutzflächen mitmischen.
Eine Vielzahl politischer Gruppen beschäftigt sich eingehend mit diesen und weitergehenden Fragen der Ernährungssicherheit und -souveränität. Aber auch im Bereich der Gentechnik entstehen weitere Probleme, die hier angerissen werden sollen.

Fehlende Umsetzung bisheriger Versprechen

Bis vor kurzem waren Schlagwörter wie „Welthunger“ und „zu wenig landwirtschaftliche Nutzflächen“ immer wieder die Argumente der Wahl, warum die Gentechnik nötig sei. Dass mittels Gentechnik irgendwann einmal Pflanzen mit höheren Erträgen und solche, die unter allen möglichen schlechten Bedingungen wachsen würden, geschaffen werden könnten, gehört seit Jahren zum ewigen Mantra der GentechnikerInnen. In die Praxis wurde davon bis dato nichts umgesetzt. Nun ist der Mangel an landwirtschaftlichen Flächen plötzlich kein Problem mehr. Vielmehr scheint es für viele PolitikerInnen und die Industrie kein Problem mehr zu sein, landwirtschaftliche Flächen zumindest teilweise zur Treibstoffproduktion umzuwidmen, ohne dass dabei die Nahrungsmittelproduktion abnähme. In allgemein gehaltenen Versprechungen wird dann von höheren Erträgen und der Nutzung marginaler Flächen durch besser angepasste Pflanzen gesprochen. Warum das nun plötzlich funktionieren soll, wird nicht gesagt. Gleichzeitig zeigen Rechenbeispiele, dass für die hochtrabenden Pläne schlichtweg nicht genügend Fläche vorhanden ist. Selbst wenn zum Beispiel innerhalb der EU jede landwirtschaftliche Fläche mit Argo-Treibstoffen bebaut würde, so wäre das nicht genug, um den angestrebten Bedarf zu decken.

Eukalyptusbäume für den Tank?

[img_assist|nid=111|title=|desc=|link=none|align=left|width=150|height=65]Gleichzeitig gibt es aber auch allerlei Ideen für spezielle gentechnisch veränderte (gv-) Pflanzen, die besser für die Treibstoffproduktion geeignet sein sollen. Dabei werden vor allem immer wieder transgene Bäume ins Spiel gebracht.
In den USA läuft derzeit ein Antragsverfahren für die Zulassung von transgenen Eukalyptusbäumen, die zur Ethanolherstellung genutzt werden sollen. Die Probleme, die mit deren Nutzung verbunden sind, sind hinlänglich bekannt. Vgl. den Schwerpunkt Gentechnik auf dem Holzweg, GID 171, August/September 2005. Im Gegensatz zu den üblichen einjährigen gv-Ackerpflanzen wie Mais oder Soja wachsen Bäume über Jahre. Bäume sind selbst Ökosysteme, die einer Vielzahl anderer Organismen (Tieren, Pflanzen und Pilzen) als Nahrung, Lebensraum und Symbiosepartner dienen, und sie können sich sowohl vegetativ als auch sexuell über große Distanzen verbreiten und vermehren. Die Gefahren von gv-Bäumen werden darum auch an verschiedenen Stellen, wie zum Beispiel im Rahmen der Konvention über die Biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity - CBD)mit Sorge diskutiert.
Ein anderes großes Problem liegt aber auch in der gentechnischen Veränderung von Nahrungspflanzen und in der Kontamination der Nahrungsproduktion.
Der Markt für Treibstoffe und damit auch für Agro-Treibstoffe ist extrem finanzkräftig. Interessierte Produzenten werden sich vor allem auf die Pflanzen konzentrieren, die bereits jetzt mit hohen Erträgen großflächig und in weitgehend industrialisierten Verfahren anzubauen sind: Mais und Soja zum Beispiel. Überlegungen, keine Nahrungspflanzen zu nutzen oder gv-Agro-Treibstoffe nicht in Nahrungsmittel-Anbauregionen anzubauen, müssen schon jetzt als gescheitert erklärt werden. Derartige Überlegungen haben sich zum Beispiel in den USA nicht einmal in Bezug auf Pharmapflanzen umsetzen lassen, obwohl diese keinesfalls für die menschliche Ernährung geeignete Substanzen produzieren.

Kontaminationen sind nicht zu vermeiden

Man stelle sich vor, es gelänge tatsächlich, Nahrungspflanzen wie Mais, Soja oder Raps gentechnisch so zu verändern, dass sie besonders gut für die Verarbeitung als Agro-Treibstoff geeignet wären - sei es durch eine veränderte Zusammensetzung, sei es durch die Bildung spezieller Enzyme, die den Abbau von Zellulose vereinfachen oder durch gänzlich neue Eigenschaften. Solche gv-Pflanzen wären mit Sicherheit weniger gut, beziehungsweise überhaupt nicht mehr als Nahrung geeignet.
Was passiert aber, wenn diese gv-Pflanzen andere Nahrungspflanzen kontaminieren? Dass Kontamination nicht zu verhindern ist, ist inzwischen hinlänglich bewiesen: Sei es durch den Starlink-Fall, bei dem ein nicht für Lebensmittel zugelassenener gv-Mais in mehr als dreihundert Produkten auftauchte, oder durch die Verunreinigungen mit dem so genannten LL601-Reis, der selbst aus zeitlich begrenztem Versuchsanbau heraus in der Lage war, Jahre später ganze Felder in den USA zu kontaminieren, und der noch heute für deutliche Exportverluste der Staaten sorgt.Siehe dazu auch www.gmcontaminationregister.org.
Bei all diesen bekannten Fällen handelt es sich fast ausschließlich um Kontaminationen durch Pflanzen, die immerhin zur Nahrungs- und Futtermittelproduktion gedacht waren. Nicht in allen Fällen war eine Genehmigung erteilt worden, und in vielen bestehen zum Beispiel zwischen den USA und der EU verschiedene Ansichten darüber, ob ihr Verzehr ungefährlich ist. Immerhin war die Absicht hier, ein Nahrungs- oder Futtermittel zu erzeugen. Bei Pflanzen zur Agro-Treibstoffherstellung ist das nicht mehr der Fall, und die Kontamination von Nahrungspflanzen mit solchen gv-Pflanzen führt dazu, dass die kontaminierten Pflanzen, Ernten und Saatgut nicht mehr als Nahrungsmittel zu verwenden sind. Ganz akut werden damit sowohl die Nahrungsmittel- als auch die Ernährungssicherheit und -souveränität in Gefahr gebracht. Bis dato wurden Kontaminationsfälle immer wieder damit abgetan, dass die gv-Pflanzen zwar nicht (überall) zugelassen, aber eigentlich doch nicht gesundheitsschädlich seien. Wo aber bleibt diese Argumentation, wenn zum Beispiel Saatgut derart verunreinigt ist, dass die Ernte nicht mehr zum Verzehr geeignet ist?
Auch ökologisch werfen spezialisierte gv-Pflanzen ganz neue Probleme auf. Die aktuelle Zulassungspolitik setzt in ihrer Risikobewertung darin an, dass die Pflanzen mit Ausnahme eines zusätzlichen Proteins nicht anderes seien als andere Pflanzen, und dass man deshalb eigentlich nur die neue Substanz testen müsse. Dieser Ansatz wird schon seit langer Zeit als unzureichend gebrandmarkt.Siehe zum Beispiel Werner Müller (2005): Wer kontrolliert die EFSA GID 170 oder den Artikel Christof Potthof (2007) MON810 am Ende? Wie aber sollen sich gv-Pflanzen mit gänzlich neuen Eigenschaften testen lassen? Wie will man die (ökologische) Ungefährlichkeit einer Maisvariante testen, der während des Wachstums selbst Enzyme bilden soll, die ab bestimmten Temperaturen Zellulose in Ethanol abbauen? Ein solches Projekt wurde gerade von US-WissenschaftlerInnen angekündigt. Oder was ist mit speziellen Bakterien, die in Fermentern Zellulose schnell und effektiv in Ethanol abbauen sollen? In der Regel werden die Reste solcher Prozesse als Futtermittel oder Dünger benutzt. Hieraus ein Horrorszenario zu entwickeln fällt relativ leicht ... Neu ist es nicht.
Bereits Ende der 90er Jahrew urde in den USA eine gv-Bodenbakterie entwickelt, die pflanzlichesMaterial in Ethanol verwandelte, bekannt unter dem Namen Klebsiella planticola SDF20. Diese gv-Bakterie wurde durch US-Behörden als sicher eingestuft, aber eher zufällig durch die Wissenschaftlerin Ingham und KollegInnen noch einmal getestet.M.T. Holmes, E.R. Ingham, J.D. Doyle, C.W. Hendricks (1999): Effects of Klebsiella planticola SDF20 on soil biota and wheat growth in sandy soil. Applied Soil Ecology 11, 67-78. Sie konnten Klebsiella auf einer zufällig noch frei gebliebenen Versuchsfläche ausbringen - und sie kamen zu dem damals erstaunlichen Ergebnis, dass Klebsiella das Wachstum der Weizenpflanze in der Versuchsparzelle deutlich behinderte. Vermutlich hatte das Ethanol der gv-Bakterie die Mykorrhiza-Pilze an den Wurzeln der Weizenpflanzen geschädigt.Mykorrhiza-Pilze sind symbiotische Partner der Pflanzen. Schließlich stellte sich heraus, das die Zulassungsversuche zum Zwecke der Vergleichbarkeit mit sterilem Boden durchgeführt worden waren.

Zu welchem Preis?

Spezielle gv-Pflanzen zur Agro-Treibstoffproduktion werden uns mit Sicherheit vor eine Reihe Probleme stellen, die über die aktuell bekannten Probleme mit gv-Nahrungs- und Futterpflanzen hinausgehen: mit gänzlich neuen ökologischen Risiken und dem Verlust von Ernährungssicherheit durch Kontamination von Nahrungspflanzen ist zu rechnen. Das alles findet statt in einem System, in dem die Ernährungssouveränität von den EinwohnerInnen vieler Länder des globalen Südens bereits jetzt durch die Nachfrage nach Agro-Treibstoffen massiv in Gefahr gebracht wird. Wie die Beschlüsse der EU zeigen, ist es in diesem System eher üblich, einen bestimmten Anteil von Agro-Treibstoffen zu verlangen, ohne zu klären, wo und zu welchen sozialen und ökologischen Preisen diese Pflanzen eigentlich produziert werden könnten. Eins ist sicher: In diesem Dilemma werden gv- Pflanzen lediglich zur Verschärfung der Situation führen. Wunderpflanzen allerdings sind nicht zu erwarten.