LL601-Kontamination: Glück im Unglück?

[img_assist|nid=115|title=|desc=|link=none|align=right|width=100|height=43]Gentechnisch veränderter Reis ist in den Handel gelangt, obgleich er weder in den Vereinigten Staaten noch in der Europäischen Union eine Zulassung besitzt. Wie es dazu kommen konnte, ist derzeit noch nicht geklärt.

Die Geschichte ist eigentlich ganz einfach. Ein gentechnisch veränderter Reis namens LL601 wird im Freiland getestet, kontaminiert anderen Reis, und weil niemand systematisch kontrolliert, ob die Sicherheitsmassnahmen gegen ungeplante Freisetzungen auch funktionieren, gelangt die Kontamination in Saatgut und Nahrungsmittel. Gefunden wird er nur zufällig, weil ein Zwischenhändler seine Exportwaren testete. Und wenn die Behörden und Betreiberfirma dann zugeben müssen, dass eine weitreichende Kontamination mit einem nicht-zugelassenen GVO stattgefunden hat, heisst es sofort, dass dies alles nicht gefährlich sei.

In so fern ist dieser Fall eigentlich nicht überraschend und bestättigt leider nur das, was KritikerInnen bereits seit Jahren als mögliche Gefahren beschreiben. Dennoch lohnt es sich diesen Fall genauer zu betrachten, denn trotz allem ist dies nicht einmal ein Worst-case-Szenario, sondern ein Lehrbuchfall dessen was uns tatsächlich erwarten kann.

Kontamination ist nicht zu vermeiden

Zwischen 1998-2001 wurde der herbizidresistente Reis LL601 an verschiedenen Orten in den USA und in Puerto Rico getestet (siehe Kasten). Wie üblich unterlagen diese Test Sicherheitsvorkehrungen gegen Verunreinigungen. Auch wenn man die US Sicherheitsauflagen für Versuche mit GVOs für unzureichend halten kann, so kann man doch von den involvierten WissenschaftlerInnen der beteiligten Universitäten erwarten, dass sie nicht leichtfertig ihr anderes Saatgut verunreinigen - schon deshalb nicht, weil sie schliesslich auch in den Jahren nach einem GVO-Versuch noch andere Studien mit anderen Sorten durchführen wollen. Irgendwann und irgendwo stand eine Kontamination statt. Wie und wann ist noch unklar, aber es gibt mindestens drei Szenarien: (1) der Pollenflug war entweder weiter als erwartet oder die Pflanzen wuchsen doch dichter nebeneinander als geplant, (2) das Versuchsfeld ist nicht wie geplant völlig von LL601 geräumt worden und im nächsten Jahr sind LL601-Pflanzen unerkannt als Durchwuchs zwischen anderem Reis gewachsen, oder (3) die Saatgutlagerung war nicht ausreichend getrennt. Herausfinden lassen wird sich dies wohl nie. In einer der Forschungsstationen sind inzwischen Saatgutproben, die in den letzten Jahren eingelagert worden sind, getestet worden und in Proben aus dem Jahr 2003 konnte tatsächlich eine Verunreinigung nachgewiesen werden. Diese Probe stammt von Basissaatgut aus dem das Saatgut für die Reisernte 2006 vermehrt wurde. Leider waren nicht aus allen Jahren Proben vorhanden, so z.B. nicht für das Jahr 2002.

So interessant das detektivische Aufspüren der ursprünglichen Kontamination auch sein mag, richtig wichtig ist es nicht. Wichtiger ist die Erkenntnis, dass es scheinbar keine ausreichenden Kontrollen gibt, die Kontaminationen feststellen, wenn sie passieren. Und die Liste der Kontaminationen im Versuchsanbau oder durch nicht-zugelassene Sorten ist lang, deshalb hier nur ein paar Beispiele. 1997 waren bei der KWS trotz Sicherheitsmassnahmen, die strenger waren als die durch das Gentechnikgesetzt vorgeschriebenen, doppelt-herbizidresistente Zuckerrüben im Gewächshaus entstanden. Erst 2001 wurden die Untersuchungen abgeschlossen und kamen zu dem Schluss, dass die KWS nichts falsch gemacht hätte. Der nicht-zugelassene Bt10-Mais wurde vier Jahre lang in den USA unentdeckt angebaut, weil Saatgut vertauscht worden war. In 2002 wurden GV-Maispflanzen aus einem Versuch zur Produktion von TierImpfstoffen in einem Sojafeld entdeckt, da vermutlich bei der Ernte Mais auf dem Feld zurückblieb.

Ein bischen mehr Labor- und Versuchssicherheit wird also nicht ausreichen. Vor allem nicht, wenn man sich vor Augen hält in vielen Ländern Feldversuche durchgeführt werden. In den USA z.B. mussten die zuständigen Behörden zugeben, dass sie zum Teil nicht einmal wissen, wo die GVO-Testfelder eigentlich sind.

Dass man nun probieren kann, die LL601-Kontamination zu rekonstruieren, hat also weniger mit behördlichen Kontrollen zu tun, sondern mit dem beinah glücklichen Umstand, dass der Hersteller dieses GVO, Aventis bzw. Bayer CropScience, ein grosser Betrieb ist, und dass die Tests zum Teil an Universitätsinstituten stattgefunden haben, die wenigstens zum Teil ihre eigenen Saatgutproben aufbewahrt haben. Was wäre wenn dieser GVO von irgend einem kleinen Betrieb entwickelt worden wäre, der inzwischen pleite ist? Wenn niemand für andere Versuche Proben aufbewahrt hätte?

Was nicht gesucht wird, wird auch nicht gefunden

[img_assist|nid=115|title=|desc=|link=none|align=left|width=150|height=65]Die Kontamination mit LL601 ist Glück im Unglück, denn hier gibt es immerhin mit Bayer CropScience einen Betrieb, der ansprechbar ist, sowie Daten, DNA-Sequenzen und Referenzproben, die nun zum Nachweis benutzt werden können. Vor allem aber handelte es sich aber um einen GVO mit zwei schon bekannten Genkonstrukten, dem Promoter und die Herbizidresistenz. Dadurch war es möglich, dass die Verunreinigung bei allgemeinen Tests eines Reisexporteurs auffiel und dass die Herstellerfirma identifiziert werden konnte.

In anderen Fälllen kann dies ganz anders ausgehen. Ein GVO, der einen bis dato ungebräuchlichen Promotor benutzt, oder eine GV-Eigenschaft enthält, die nicht auch schon in anderen GVOs eingesetzt wird, kann nicht gefunden werden, da diese DNA-Sequenzen oder GV-Proteine schlichtweg nicht in den Tests vorkommen. Und selbst wenn ein bekannter Promotor verwendet wird, aber der GVO ansonsten eine nicht öffentlich dokumentierte Eigenschaft enthält, dann lässt sich lediglich feststellen, dass die Schiffsladung mit irgendeinem GVO verunreinigt ist. Und dann?

Es kann nur das gefunden werden, wonach gesucht wird. Keine der staatlichen Kontrollbehörden in den USA hat diesen Kontamination entdeckt. Keins der Importländer, keins der Unterzeichnerländer des Biosafety-Protokolls hat diesen Reis von sich aus entdeckt. Aber hat überhaupt jemand gesucht?

Unklar ist übrigens auch, wieso der Reisexporteur, der die Kontamination entdeckte, seine Ware überhaupt testen liess, aber leider wird der Name nicht veröffentlicht. Gab es Bedenken wegen möglicher Verunreinigungen, z.B. mit GV-Reis zur Herstellung von Pharmarohstoffen? Oder die grundsätzliche Sorge, keine Schiffsladungen Reis, die möglicherweise mit Resten von anderen GV-Pflanzen verunreinigt wären, z.B. in Länder zu exportieren, die das Biosafety Protokol unterzeichnet haben?

Verursacher haben die Macht über die Kontrolle

Während der Entwicklung eines GVOs sind die Hersteller die einzigen, die die neuen Eigenschaften und DNA-Sequenzen eines neuen GVOs kennen. Abhängig von den jeweiligen staatlichen Regelungen, werden solche Informationen bei der Anmeldung eines Feldversuchs bekannt - aber dann in der Regel auch nur in dem Land, wo der Versuch tatsächlich stattfindet. In anderen Ländern werden solche Informationen erst bekannt, wenn eine Zulassungsantrag gestellt wird, und selbst dann probieren verschieden Firmen noch das tatsächliche Genkonstrukt als Betriebsgeheimnis vor der Öffentlichkeit geheim zu halten. Erst wenn eine Pflanze tatsächlich auf dem Markt zugelassen werden soll, muss ein Nachweisverfahren vorliegen, sowie Referenzmaterial für eine eindeutige Identifizierung.

Auch hier ist die Kontamination mit LL601 beinah Glück im Unglück, denn in Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen und da die DNA-Sequenz und das neue Protein bekannt war, gelang es Bayer immerhin zwei Schnelltests zu entwicklen, auch wenn zumindest einer davon nicht fehlerfrei zu sein scheint, bzw. nur Kontaminationen über 1.33% nachweist.

Eine Forderung aus diesen Erfahrungen sollte sein, dass nicht erst bei der kommerziellen Zulassung eines GVO, sondern bereits vor Feldversuchen ein Nachweisverfahren entwickelt sein muss, und dass dies Verfahren und Referenzmaterial allen Ländern auch Jahre nach dem Versuch zugänglich sein muss. Natürlich werden Herstellerfirmen empört sein und um ihr Geschäftsgeheimnis bangen. Aber in einer globalisierten Welt, in der GVO-Produzenten ihre Pflanzen nicht für sich behalten können, muss auch bei den Nachweismöglichkeiten das Vorsorgeprinzip gelten.

Dass Firmen nicht unbedingt ein Interesse an guten Nachweisverfahren haben, zeigen sowohl die Erfahrungen mit LL601 als auch Bt10. Für einen eindeutigen Nachweis benötigen Labors nicht nur die richtigen DNA-Sequenzen sonder auch sogenanntes Referenzmaterial: Proben des Original-GVO, mit denen überprüft werden kann, ob der Test auch richtig funktioniert, bevor unbekannte Proben getestet werden.

Der erste Fund von LL601 in Europa geschah durch ein unabhängiges Labor, das im Auftrag von Greenpeace Deutschland zehn Proben untersuchte. Eine Probe war positiv, und das Labor hatte ausserdem eine Reihe anderer möglicher Kontaminationen ausgeschlossen, wie z.B. Reste von GV-Mais, die zufällig in die Reisladung geraten sein könnten etc. Aber Bayer stellte diese Ergebnisse sofort in Frage, da das Labor kein Referenzmaterial hatte - aber auch von Bayer keins erhielt.

Ein solches Verhalten ist nicht unbekannt: Bei Kontaminationen von Bt11-Mais mit dem ebenfalls nicht zugelassenen Bt10-Mais 2005, weigerte sich Syngenta Referenzmaterial für Tests zur Verfügung zu stellen. Im Fall von LL601 hat Bayer inzwischen eingelenkt. Allerdings ist keine Herstellerfirma verpflichtet Referenz-Proben an unabhängige Labor zu geben. Abhängig von staatlichen Regelungen ist es fraglich, ob Herstellerfirmen überhaupt verpflichtet sind, Referenzmaterial aufzubewahren, nach dem sie die Entwicklung eines GVOs abgebrochen haben. Aber dennoch ist genau diese Herstellerfirma die einzige Instanz, die die notwendigen Daten und Proben hat, um eine Kontamination mit einem nicht-zugelassenem GVO nachzuweisen.

Und was wenn sich die Firma weigert? Was wenn sie kein Material mehr hat? Was wenn der GVO einen anderen Promotor und eine andere Eigenschaft verwendet, die in keinem Standardtest vorkommt? In den USA werden zumindest im Versuchsanbau GV-Pflanzen zur Produktion von Pharma-Grundstoffen angebaut. Anders als bei Herbizidresistenzen und Bt-Toxinen sind dies Eigenschaften, die nicht für den breiten Markt gedacht sind, und bei denen wegen der erwarteter Gewinne in der Pharmaproduktion das Betriebsgeheimnis wesentlich wichtiger erachtet werden kann. Wäre ein unabhängiges Labor in der Lage, Kontaminationen mit diesen Pharma-Pflanzen zu finden?

Alles sicher...

[img_assist|nid=170|title=|desc=|link=none|align=left|width=150|height=65]Das Weltbild mancher GentechnikbefürworterInnen scheint beneidenswert einfach zu sein: "Alles was da ist, ist sicher." Maiskontamination in Mexiko, Starlink, Bt10 und nun LL601... eine Reihe von Vorfällen, von denen es voher immer hiess, dass so etwas nicht passieren könne, aber wenn sie dann doch passieren, dann werden sie erst abgestritten, dann zugegeben und gleichzeitig für sicher erklärt.

Die Entwicklung von LL601 wurde 2001 abgebrochen, und dementsprechend wurden natürlich keine Sicherheitsprüfungen für eine Kommerzialisierung durchgeführt. Dennoch hat Bayer in den USA nun doch noch eine Zulassungsgehmigung beantragt - und zwar vor allem auf Basis der Datenlage von zwei anderen LL-Reisvarianten, die bereits 1999 in den USA zugelassen wurden.

Dieser Zulassungsantrag ist blanker Hohn und nur darauf gerichtet, zukünfitige Schadensersatzforderungen zu vermeiden. Einmal in den USA zugelassen, könnten sich zumindest US-Bauern nicht mehr beklagen. Ein Interesse LL601 tatsächlich zu vermarkten gibt es nicht, wie Bayer selbst erklärte. Nicht einmal die beiden in den USA zugelassenen LLReis-Varianten LL06 und LL62 werden dort kommerziel angebaut.

In einem Schnellverfahren beschloss die zuständige US-Behörde am 8. September, dass sie den Reis dennoch für sicher erachten würde. Vier Wochen lang, bis zum 10. Oktober, hat dann die Öffentlichkeit das Recht dies zu kommentieren, bevor LL601 in den USA endgültig zugelassen werdn kann.

Inzwischen hat auch die EFSA die vorliegenden Daten geprüft und kommt zu dem Schluss, dass die Unterlagen zu unvollständig sind, um die eine Risikoabschätzung vorzunehmen. Lediglich eine erste Abschätzung des akuten Risikos lasse Schluss zu, dass wahrscheinlich keine akute Gefährdung bestehe.

The GMO Panel has evaluated the available scientific data on LLRICE601. According to the Statement of the Panel issued today there is insufficient data to provide a full risk assessment in accordance with EFSA's GM guidance.
Based on the available data, EFSA's GMO Panel considers that the consumption of imported long grain rice containing trace levels of LLRICE601 is not likely to pose an imminent safety concern to humans or animals.

Im Klartext: Es wird nicht erwartet, dass jemand tot umfällt, und über alles andere lässt sich keine Aussage machen. Falls auf Basis von geschaffenen Fakten (der Kontamination) und unzureichenden Unterlagen, LL601 jetzt als unbenklich erklärt werden soll, dann wäre die ein gefährlicher Präzidenzfall. Statt eines ordentlichen Zulassungsverfahren (egal ob man es als ausreichend empfindet oder nicht) einfach ausreichend kontaminieren, ein paar Papier einreichen und fertig...

Darüber hinaus stellt dieser Fall auch ein von Gentechnikbefürwortern und der EFSA häufig benutztes Argument einmal mehr in Frage. Herbizidresistenz, so heisst es, habe keinen Selektionsvorteil, wenn das Herbizid nicht angewandt würde und herbizidresistente Pflanzen würden sich deshalb nicht ausbreiten. Hier haben wir aber einen herbizidresistenten Reis, der sicherlich nicht mit dem Herbizid behandelt wurden, denn schliesslich wussten weder die SaatgutentwicklerInnen noch die BäuerInnen von dieser Eigenschaft. Und dennoch findet sich der Reis über das gesamte Reisanbaugebiet der USA verbreitet... Saatgut ist nun mal nicht nur der normalen Selektion unterworfen.

Wer sind die Dummen?

Die Liste der Dummen in diesem Fall ist lang: die VerbraucherInnen, die ein ungetestet Produkt in ihrer Nahrung haben; die US-Bauern, die gentechnikfreien Reis anbauen wollten und die Einkommensverluste haben, wenn die Preise fallen und Markte wegbrechen; die Transporteure, denen hohen Kosten anfallen, wenn sie während des Testens ihrer Ware im Hafen festliegen; die zuständigen Behörden, die ihren geringen Handlungsspielraum unterlaufen sehen und gezwungen werden auf Basis unzureichender Papiere Gutachten abzugeben und so noch weiter an Vertrauen durch die Öffentlichkeit verlieren, die Gesetzgebung, die durch Schaffen von Tatsachen ausgehebelt wird; und selbst die Anleger von Bayer Crop Science, deren Aktienwert fiel.

Und trozdem muss man auch hier wieder sagen, dass es hier bei noch stets um Glück im Unglück handelt.

  • LL601 scheint keine aktute und schwerwiegende Gefahr darzustellen, für diejenigen die in den letzten Monaten unwissentlich kontaminierten Mais gegessen haben. Die Erfahrungen mit L-Tryptophan, oder der Allergie-Verdacht von Starlink-Mais zeigen, dass dies auch anders sein kann.
  • Es gibt mehrer Testverfahren, auch wenn diese nicht einwandfrei zu funktionieren scheinen. Zumindest in der EU haben verschiedene Behörden und Händler schnell reagiert. Aber ohne die private Initative eines Händlers in den USA, wäre sicherlich in der EU niemand auf den Gedanken gekommen, die 264.000 Tonnen Reis, die jährlich in die EU importiert werden auf unbekannte GVO-Kontaminationen zu testen.
  • Auch wenn in den USA, die Preise gefallen sind und der US-Exportmarkt zusammengebrochen ist, so ist dies immerhin in einem Land passiert, in dem die betroffenen BäuerInnen staatliche Hilfen erhalten können und in dem der glücklicherweise bekannte Verursacher auf Schadenersatz verklagt werden kann. Und glücklicherweise ist Reis ein Produkt das gelagert werden kann, so dass BäuerInnen wenigstens versuchen können ihre Ernte von 2006 bei sich zu lagern und sie testen zu lassen, anstatt sie direkt in grosse Sammellager abzugeben. Wieviel schlimmer wäre die Situation, wenn z.B. ein nicht-lagerbares Produkt betroffen wäre? Wenn es KleinbäuerInnen in einem Land trifft, das nicht das Geld hat um mit staatlichen Hilfe einen zehn-prozentigen Preisverfall ausgleichen kann? Wenn es die Produktion eines kleinen Landes betrifft und der Weltmarkt stattdessen woanders kauft?

Wie weiter?

Zur Zeit findet Bestandsaufnahme und akute Schadensbegrenzung statt. Hersteller in verschiedenen Ländern nehmen vorsorglich US-Langkornreis aus dem Sortiment, Japan testet alle Reisimporte selber, da sie den USA nicht vertrauen, die Testverfahren werden verbessert, und die wenigen vorliegenden Unterlagen begutachtet. Mit detektivischen Eifer wird versucht heraus zu finden, wie die Kontamination entstanden ist. Farmer in den USA behalten ihre Ernte auf ihrem Hof, in der Hoffnung, dass der Preis wieder steigt.

Aber was passiert mit all dem Reis in dem Kontamination nachgewiesen wurde? Der Verband der Reismühlen fand in etwa 20% der getesteten Proben Kontamination, mehrere Teilladungen einer Schiffsladung, die nach Europa importiert wurden, werden noch untersucht, und für Mitte Oktober weden die nächsten 20.000 Tonnen erwartet. Der kontaminierte Reis ist in den EU und anderen Ländern schlichtweg illegal. Was tun: in die USA zurückschicken oder vernichten? Zurückschicken heisst schlichtweg, dass der Reis an die US-Bevölkerung verkauft werden kann, sowie an Länder, die nicht selber testen können oder die den Versicherungen der FDA vertrauen. Und - ganz zynisch gesehen - bleibt der USA immer noch die Möglichkeit den Reis, wenn er durch die FDA als sicher erklärt worden ist, als Nahrungsmittelhilfe zu verschicken.

Leider erscheinen die vorliegenden Schnelltests nicht fehlerfrei, und Länder wie Japan vertrauen Tests, die in den USA durchgeführt wurden, gar nicht erst. In Europa zeigte sich auch der Test von Reisschiffsladungen durch den Verband der Reismühlen als fehlerhaft. Obwohl als LL601-frei deklariert, zeigte ein zweiter Test der niederländischen Behörden, dass die Schiffsladung sehr wohl kontaminiert war. Wie aber sollen ärmere Länder solche Test durchführen?

Erstaunlicherweise gibt es in dieser Situation dennoch GentechnikbefürworterInnen, die sich nicht einmal Gedanken machen wollen, wie so etwas passieren kann, und wie es in Zukunft zu verhindern sei. Die Dreistigkeit mit der zum Beispiel Jens Katzek in einem Statement vom 19. September bewehrt, dieser Reis sei vollkommen sicher, kann selbst langjährige GentechnikkritikerInnen noch erstaunen. Niemand - nicht einmal die EFSA - behauptet der Reis sei als sicher getest. Auch die EFAS git nur an, dass die vorliegenden unvollständigen Daten keine Hinweise auf akute Gesundheitsgefährdungen geben. Jens Katzek aber geht weiter: in einer totalen Verdrehung der Tatsachen behauptet er, dass GVOs sicher seien, da sie so extrem getestet seien, also muss dieser ungeteste Reis auch sicher sein. Und überhaupt sollte man doch grundsätzliche Toleranzwerte für alle gentechnischen Verunreinigungen einführen. Die Vehemenz mit der das Vorstandsmitglied der Biotechnologie-Industrie-Organisation Deutschland (BIO) seine Thesen vertritt, wirft vor allem eine Frage auf: Wovor hat BIO soviel Angst? Vor der Tatsache, dass Kontamination tatsächlich unvermeidbar ist? Davor dass, wie er selbst angibt, Gentechnikfirmen, ihre Pflanzen nun mal nicht stoppen können sich zu vermehren? Davor dass dies konsequenterweise zu stärkeren Auflagen für den Versuchsanbau führen muss? Und davor, dass kein Gesetzgeber bei Kontaminationsfällen mit solchen Auswirkungen auf dem Weltmarkt, die darüber nachdenken kann, Verursacher durch ein gefälligeres Gentechnikgesetz aus der Haftung zu entlassen?

Erstaunlicherweise wird einer Frage kaum Beachtung geschenkt: In welchem Ausmass und in welchem Saatgut ist die LL601-Kontamination? Erste Untersuchungen lassen die vorsichtige Hoffnung zu, dass nur eine Sorte in den USA betroffen ist, aber das ist nicht bestättigt. Und vor allem ist die Frage offen, wie jetzt sicher gestellt werden kann, dass kein kontaminiertes Saatgut mehr angebaut wird.

Quellen

GM contamination register (2006): USA - long-grain rice contaminated with unapproved GM variety
Keine Gentechnik (2006): Dossier Liberty Link Reis
EFSA (2006): EFSA’s GMO Panel provides reply to European Commission request on GM rice LLRICE601. 15. September 2006.

A. Lorch, GID 178 Oktober 2006