[img_assist|nid=170|title=|desc=|link=none|align=right|width=100|height=43]Die Nutzung der Agro-Gentechnik verursacht hohe Kosten in der gesamten Lebensmittelkette: durch steigende Saatgutpreise, Maßnahmen zur Vermeidung von Resistenzbildung, Trennung der Warenströme und Analysen. Dazu kommen Schäden in Höhe von einigen Milliarden US Dollar, die bei Mais und Reis durch Kontaminationen mit nicht zugelassenen Gen-Konstrukten verursacht wurden. Die allenfalls geringen Kostenvorteile beim Anbau der Gen-Saaten rechnen sich auch in der Landwirtschaft nur kurzfristig.
Dieser Bericht basiert auf Informationen aus der Lebensmittelwirtschaft in Deutschland und listet Details zu Schäden und Kosten, die durch verschieden Kontaminationsfälle verursacht wurden.
[ Pressemitteilung des BÖLW | Schadensbericht Gentechnik ]
Zusammenfassung
Der Bericht wirft ein Schlaglicht auf die ökonomische Dimension der Agro-Gentechnik, indem er Nutzen, Kosten und Schäden auf nationaler und internationaler Ebene zusammenstellt. Er gibt einen Überblick über die Kosten, die durch die Agro-Gentechnik für verschiedene Marktteilnehmer verursacht werden und listet einige bekannt gewordene Schadensfälle auf. Im Hinblick auf die Kosten der Lebensmittelhersteller, die sich um eine gentechnikfreie Produktion bemühen, wurden bei verschiedenen deutschen Unternehmen Daten erhoben. Die erfassbaren Kosten und Schäden werden dem wirtschaftlichen Nutzen, den die Agrarkonzerne und zum Teil auch die landwirtschaftlichen Nutzer erzielen, gegenübergestellt. In der Bilanz erscheint der Einsatz der Agro-Gentechnik ökonomisch problematisch.
Während einzelne Saatgutkonzerne tatsächlich Gewinne realisieren können, ist der wirtschaftliche Nutzen der Landwirte, die gentechnisch veränderte Pflanzen anbauen, fraglich. Werden systemimmanente Kostenfaktoren berücksichtigt, wie die Vorsorge gegenüber Kontamination und die Verhütung von resistenten Schädlingen und Unkräutern, ist die Bilanz der Landwirte in vielen Fällen negativ. Hervor sticht, dass die Preise für
Saatgut in den letzten Jahren gerade bei den Pflanzenarten erheblich angestiegen sind, bei denen gentechnisch veränderte Sorten kommerziell vertrieben werden, ohne dass
auch die Erträge entsprechend gesteigert werden konnten. So steigerte sich bei Mais und Soja der Ertrag innerhalb der letzten 30 Jahre um den Faktor 1,7 während sich die Preise für das Saatgut ums Fünffache erhöhten. Bei Reis und Weizen hingegen, von dem keine genveränderten Varianten am Markt sind, sind die Saatgutpreise im gleichen Zeitraum in etwa parallel zur Ertragssteigerung gestiegen. Insgesamt sind bei den Pflanzenarten, bei denen gentechnisch veränderte Sorten auf dem Markt sind, keine höheren Ertragssteigerungen als bei den Pflanzenarten zu beobachten, bei denen nur konventionelle Sorten auf dem Markt sind.
Ist der Nutzen auf der Ebene der Landwirtschaft fraglich, ist die Bilanz des Einsatzes von Produkten aus gentechnisch veränderten Pflanzen auf der Ebene der Lebensmittelwirtschaft eindeutig negativ. Hier kann der Einsatz der Agro-Gentechnik zu erheblichen wirtschaftlichen Verlusten für Lebensmittelhersteller und -handel führen. Wie Untersuchungen in den USA und Europa zeigen, ist die Bilanz für die Einführung von Produkten aus der Agro-Gentechnik negativ, wenn Systeme zur Trennung und Kennzeichnung eingeführt werden. Diese Effekte sind dabei nicht auf Europa beschränkt. Experten gehen davon aus, dass derartige Systeme beispielsweise auch in den USA eingeführt werden müssten, falls gentechnisch verändertes Brotgetreide in den Handel kommen würde. Aufgrund der zu erwartenden gesamtwirtschaftlichen Kosten wurde deswegen die Einführung von gentechnisch verändertem Weizen in den USA gestoppt und in Kanada aufgrund von zu erwartenden Exportverlusten nicht eingeführt. Würde aber auf die Systeme für Trennung und Kennzeichnung verzichtet, verlören Verbraucher und Erzeuger die Option auf alternative Produkte und Produktionswege.
Nach Angaben von Experten, die der Agro-Gentechnikindustrie nahe stehen, kosten die Systeme zum Erhalt der gentechnikfreien Lebensmittelproduktion in der EU und Japan jährlich 100 Millionen US Dollar, wobei diese Zahl noch nicht die wirtschaftlichen Aufwendungen der jeweiligen regionalen Erzeuger und Händler beinhaltet. Die Kosten, die in Deutschland für ein mittelständisches Unternehmen in der Lebensmittelbranche entstehen, das Rohstoffe aus der Agro-Gentechnik vermeiden will, liegen nach den vorliegenden Daten bei bis zu einigen hunderttausend Euro im Jahr. Dazu kommen zum Teil hohe Investitionen um entsprechende Systeme zu etablieren.
In der Gesamtschau der Kostenfaktoren erscheint die wirtschaftliche Gesamtbilanz für den Lebensmittelmarkt und die Agrarwirtschaft negativ. Kurzfristige Gewinne gehen auf Kosten der wirtschaftlichen Nachhaltigkeit, der Wahlfreiheit und zum Teil auch der Sicherheit von Mensch und Umwelt. Derartige Rahmenbedingungen erscheinen nicht akzeptabel – unabhängig davon in welcher Region der Welt der Anbau der gentechnisch veränderten Saaten erfolgt.
Zu den laufenden Kosten, die durch den Einsatz der Agro-Gentechnik für verschiedene Marktteilnehmer bei der Absicherung der Warentrennung entstehen, kommen die erheblichen wirtschaftlichen Schäden durch bereits eingetretene Kontaminationsfälle mit nicht verkehrsfähigen gentechnisch veränderten Saaten. Diese Schäden belaufen sich, soweit bekannt, weltweit bereits auf mehrere Milliarden US Dollar. Die tatsächliche Gesamthöhe der Schäden ist dabei nicht bekannt.
Insgesamt ist die Bilanz der Agro-Gentechnik nach über zehn Jahren seit ihrer Einführung von hohen Investitionskosten aber einer schmalen Produktpalette geprägt. Dazu kommen hohe Aufwendungen für Kosten und Schäden in ihrer Anwendung, die meist unter Missachtung des Verursacherprinzips auf andere Marktteilnehmer abgewälzt werden.
Problematisch ist, dass nach den vorliegenden Indikatoren die Marktlogik der Anbieter für gentechnisch verändertes Saatgut nur dann funktionieren kann, wenn die Kosten und Standards für Zulassungen abgesenkt werden, Systeme zur Trennung und Kennzeichnung möglichst verhindert werden, die Konzentration auf Seiten der Konzerne weiter vorangetrieben wird und das Verursacherprinzip nicht zur Anwendung kommt. Problematisch ist auch, dass die Konzerne wenig Interesse an Maßnahmen zur Sicherung nachhaltiger Produktionsmethoden haben müssen. Auch wenn sich auf den Äckern verstärkt resistente Unkräuter ausbreiten und ein „Wettrüsten“ auf dem Acker stattfindet, steigen ihre Gewinne. Damit stehen die wirtschaftlichen Interessen der Betreiber der Agro-Gentechnik den Interessen von Verbrauchern, Landwirten und dem Schutz der Umwelt diametral entgegen. Die dargestellten wirtschaftlichen Mechanismen stellen die Koexistenz zwischen Agro-Gentechnik und gentechnikfreier Landwirtschaft grundsätzlich in Frage. Wenn die Wirtschaftlichkeit der Agro-Gentechnik davon abhängt, dass Maßnahmen wie Refugien, Pufferzonen, Trennung und Kennzeichnung der Ware möglichst vermieden werden,
muss in Frage gestellt werden, ob sie dafür geeignet ist, überhaupt am Markt teilzunehmen.
Es bestehen verschiedene Handlungsoptionen. Nach dem Wortlaut der EU-Richtlinie 2001/18/EG können Kosten und Schäden der Agro-Gentechnik auch im Rahmen von Zulassungen bzw. Wiederzulassungen berücksichtigt werden. Gegebenenfalls können laut
EU-Recht Marktzulassungen unter sozio-ökonomischen Aspekten verweigert werden. Zudem sind gesetzliche Regelungen, die das Verursacherprinzip für laufende Kosten und
Schadensfälle verankern, zu prüfen. Nicht akzeptiert werden sollten Defizite im Bereich Sicherheit, Vorsorge und Wahlfreiheit, nur um kurzfristig die wirtschaftliche Bilanz der Anwender der Agro-Gentechnik zu verbessern.